Geschäftsreisende und Touristen kennen das Problem: Man steigt aus dem Flieger und möchte mit Bus oder Bahn zum Reiseziel. Am Ticketautomaten steht eine Schlange, denn es herrscht Verwirrung: Welches Ticket brauche ich für mein Ziel? Wie viele Tarifzonen muss ich kaufen? Wie und wann entwerten? Wie kann ich bezahlen? Kaum jemand möchte sich, bevor er in eine Großstadt reist, mit Tarifen beschäftigen, Apps herunterladen oder Registrierungen vornehmen.
In Berlin geht es künftig einfacher. Besucher können per Smartphone, direkt im Facebook-Messenger und ohne Registrierung bei der BVG ein Tagesticket lösen. „Das Ziel ist, dass sich damit alles entkrampft, zum Beispiel am Flughafen oder Hauptbahnhof“, erklärt Carlos Reinsch, Projektmanager von den Berliner Verkehrsbetrieben, die als erstes deutsches Nahverkehrsunternehmen mit dem
Projekt „BerTi“ den Ticketverkauf über einen Chat-Bot im Facebook Messenger eingeführt haben.
Tagesticket ohne Schlange stehen
Der Ticketkauf ist schnell erledigt: Der Kunde spricht den „BVG Ticketbot“ im Facebook-Messenger an und wird mit einem kleinen Willkommens-Text begrüßt. Der Kunde kann sogleich ein Ticket mit einem Fingertipp kaufen oder Hilfe bekommen. Der Ticketkauf ist in wenigen Minuten, ohne Anstehen oder Registrierung abgeschlossen. „Der Kunde hat sich ja bereits bei Facebook und beim Bezahldienst PayPal registriert, so haben wir als Verkäufer die notwendigen Daten, die wir für die Ticketerstellung und -auslieferung brauchen“, erklärt Reinsch.
„Social Media-Kanäle werden von uns oft nur in eine Richtung bespielt, zum Beispiel indem wir Störmeldungen publik machen. Neu ist, dass wir hier Fahrscheine anbieten. Die Überlegung war: „Da wo der Kunde ist, da müssen wir mit unserem Vertrieb sein“, so Reinsch. Mit dem Chatbot BerTi (die Kurzform für „Berlinticket“) kommt der Verkaufsautomat direkt zum Kunden – ohne Anstehen und ohne, dass er sich mit Tarifen und Gültigkeiten auseinandersetzen muss. Der Service soll ebenso die vielen Tagesbesucher aus dem Ausland ansprechen. Deswegen startet der Dienst auch in englischer Sprache, lässt sich aber mit einem Klick auf deutsche Sprache ändern.
Er soll die einfachste Fahrkarte – das Tagesticket – direkt am Hotspot wie dem Flughafen, Omnibusbahnhof oder Hauptbahnhof platzieren, ohne dass der Kunde den Tarif verstehen oder Kleingeld dabeihaben muss. Die Tageskarte gilt ab Kauf in ganz Berlin bis zum nächsten Tag um drei Uhr. So hat der Fahrgast ein gutes Gefühl, das richtige Ticket zu haben und kann es unbesorgt den ganzen Tag in Berlin für Bus und Bahn nutzen. „Für den Berlin-Besucher ist das beste Ticket-Angebot tatsächlich die Tageskarte“, unterstreicht Reinsch.
Praktischer als ein gedrucktes Ticket
Das elektronische Ticket besteht aus einem personalisierten Barcode und bringt im Vergleich zum herkömmlichen Automaten-Ticket viele Vorteile. Geschäftsreisende müssen nicht mehr für die Abrechnung nach dem Ticket in der Hosentasche suchen, sondern können leicht die elektronische Rechnung finden und für den Nachweis beim Arbeitgeber oder dem Finanzamt nutzen. Trotz der hohen Personalisierung läuft der Kauf in Sekunden ab und ohne Download einer App und extra Registrierung, die bei digitalen Ticketangeboten oft eine hohe Hürde für Tagesgäste darstellt.
Und auch der Anbieter profitiert: Der Barcode ist hochverschlüsselt nach der VDV-Norm und damit fälschungssicher. Zudem gibt es virale Effekte: „Wir wollen, dass sich unser Angebot herumspricht. Im Social Web hat man gute Chancen, dass sich die Begeisterung verbreitet. Deswegen nutzen wir auch gerne Online-Medien, um es zu kommunizieren“, erklärt Reinsch. Zudem kommen Werbebanner an den Hotspots, also am Flughafen zum Einsatz, um die Alternative zum Fahrkartenautomaten zu bewerben.
Einfache technische Umsetzung
Ein Ticketverkauf per Messenger klingt zunächst nach komplexer Technik. Die technische Umsetzung mit dem Finanzdienstleister Logpay, welcher schon verschiedene Zahlungsmöglichkeiten wie Kreditkarte und PayPal angebunden hat, lief aber laut dem Projektleiter schnell und unproblematisch. „PayPal wird immer mehr nachgefragt und wir konnten die Zahlungsart problemlos anbinden. Gerade bei jungen Leuten ist diese Zahlweise, auch wegen des Sicherheitsaspekts sehr beliebt: Wenn etwas schiefläuft, habe ich immer die Möglichkeit eines Clearings über PayPal“, erklärt Reinsch.
Der Service kommt bisher gut an – wie auch der Ticketverkauf der BVG per App, bei dem ebenfalls per PayPal bezahlt werden kann. Hier liegt der Anteil der Käufe über PayPal bei etwas über 50 Prozent. Diejenigen, die den Bot kennen, loben die Idee“, resümiert Reinsch. Dabei ist der Ticketverkauf per Bot bewusst noch in der Lernphase. „Auf unserer Seite
www.berti.berlin sieht man, dass der Busfahrer noch ein bisschen unscharf dargestellt ist. Das soll klarstellen: Er ist noch ‚in Ausbildung‘ und nicht ganz fertig.“ Weitere Fahrkarten, Zahlmethoden und Plattformen (wie z.B. WhatsApp) können später hinzukommen, wenn der Service angenommen wird.
„Eine KI (Künstliche Intelligenz), mit der man in allen Lebenslagen reden kann, steckt im Ticketbot natürlich nicht“, erklärt der Projektleiter. Trotzdem kann der Kunde mit dem Bot chatten und erhält automatisierte Antworten auf seine Fragen rund um den Kauf eines Tagestickets. Sogar auf Beleidigungen reagiert der Bot deeskalierend und dank einiger versteckter Easter Eggs gibt es einen gewissen Spaßfaktor. In einer Web-Demo kann der Kunde den Ticketverkauf durchspielen, und, falls er gerade kein Ticket braucht, bei der Bezahlung einfach abbrechen, nur um erst einmal zu sehen, wie der Bot funktioniert.
Die Kunden abholen
Auch wenn sich die Verkäufe mit dem Bot noch im überschaubaren Bereich bewegen, ist das Feedback der Kunden fast durchweg positiv. Die breitere Kommunikation soll die Verkäufe ankurbeln – hier sind nach Ansicht des Projektleiters vor allem Aufsteller und Aufkleber an den Automaten besonders wichtig – wie auch der virale Effekt in den sozialen Medien. Künftig sind bei entsprechendem Erfolg Erweiterungen auf weitere Fahrkartenarten denkbar, wie auch auf andere Plattformen. „Alle wünschen sich, dass es das Gleiche für WhatsApp geben würde, aber WhatsApp bietet aktuell diese Funktion nicht. Facebook ist hier mit dem Messenger anders in Richtung Business aufgestellt“, so Reinsch. Aber das Team der BVG wird weiter die Augen offenhalten. „Wir müssen den Kunden abholen, bevor er uns erreicht hat“, erklärt Reinsch die Strategie.
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